Die Kunst des Schreibens

VI. Fälschungen

Urkunden hatten eine enorme Bedeutung im öffentlichen Leben, sie dienten als Beweise in Gerichtsverfahren, als Bescheinigungen bestimmter Rechte oder Tatsachen.
Von größter Bedeutung waren zwar königliche, staatliche und kirchliche Urkunden, doch auch Privaturkunden konnten wichtige Angelegenheiten betreffen (z. B. finanzielle Verpflichtungen).
Die hohe Stellung der Urkunden und das feste Vertrauen in ihre Wirksamkeit führten zur Entstehung von Fälschungen (in Polen ab dem 13. Jahrhundert).

Eine Urkunde konnte auf mehrere Weisen gefälscht werden.
Zum einen konnte der Fälscher eine gefälschte Urkunde von Grund auf neu erstellen, mit einem Inhalt, der nicht der Wahrheit oder der wirklichen Absicht des angeblichen Ausstellenden entsprach. Eine solche Urkunde wurde mit einem ebenso gefälschten Siegel oder, um glaubwürdiger zu wirken, mit einem echten Siegel von einer anderen Urkunde versehen.

Eine andere Variante war die „Verfälschung“ einer bereits existierenden Urkunde durch die Einführung von unautorisierten Änderungen, z. B das Hinzufügen von Zeichen oder Wörtern, das Ersetzen von ausgewählten Wörtern oder sogar ganzen Textabschnitten durch einen anderen Inhalt. Damit das möglich war, musste die Stelle, an der der Text verändert werden sollte, zuerst ausradiert werden. Der Originaltext wurde mithilfe eines scharfen Gegenstandes (meistens eines speziellen Schreibermessers) weggeschabt. Die veränderte Stelle, die sogenannte Rasur, wurde danach mit Kreide oder Bimsstein verrieben und geglättet. In das so vorbereitete, „leere“ Feld wurde dann der gefälschte Text eingetragen.

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Mit der Echtheitsüberprüfung der Urkunden, die dem Gericht vorgelegt wurden, befasste sich das Personal der Gerichtskanzlei. Es gab sogar spezielle Leitlinien zur Identifizierung von Fälschungen. Vor allem wurde überprüft, ob die Urkunde besiegelt und das Siegel unbeschädigt war. Wurde eine Urkunde als unglaubwürdig eingestuft, wurde das Pergament durchgeschnitten und das Siegel gebrochen, damit es nicht wiederverwendet werden konnte.
Fälscher wurden streng bestraft. Im Jahre 1400 wurde ein Krakauer Bürger für die Fälschung einer Urkunde zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt.

Im Laufe der Zeit, mit der Entwicklung des Staatswesens und der vermehrten Ausstellung von Urkunden verbreitete sich auch eine Urkundenform, die gewissermaßen den Kampf gegen Fälscher unterstützte. Es entstanden nämlich Amts- und Gerichtsbücher, in denen Aufzeichnungen über die aktuellen Angelegenheiten und Verfahren geführt wurden. Am Anfang waren es nur knappe amtliche Notizen, doch sie entwickelten sich zu vollständigen Einträgen, die den gesamten Wortlaut der Urkunden wiedergaben. So erlangten diese Bücher die Kraft des öffentlichen Glaubens. Anhand der Einträge wurden Abschriften, sogenannte Extrakten, angefertigt, die viel schneller und günstiger zu bekommen waren als eine Urkunde in der traditionellen Form. Natürlich gab es davon auch Fälschungen, doch diese konnten viel leichter nachgewiesen werden, da es im Zweifelsfall ausreichte, den Extrakt mit dem im Buch eingetragenen Original zu vergleichen.

Die heutigen Methoden zur Echtheitsüberprüfung von historischen Urkunden ähneln gewissermaßen einem Actionfilm, in dem die „Ermittlung“ in einer umfangreichen Analyse aller dazugehörigen Elemente besteht: des Pergaments oder Papiers, der Tinte, des Siegelwachses oder Siegellacks und vor allem des Aufbaus, der Sprache und Schriftart der Urkunde. Paläographisches Wissen ist also auch nützlich, um einem mittelalterlichen oder neuzeitlichen Fälscher auf die Schliche zu kommen. Eine solche Forschung sollte jedoch in einem breiteren Kontext betrieben werden, der auch die Entstehungsgeschichte der jeweiligen Urkunde und die Spezifik der Epoche umfasst.