Die Kunst des Schreibens
I. Beschreibstoffe [1]
II. Schreibgeräte [2]
III. Der Schreiber [3]
IV. Buchschmuck [4]
V. Einbände [5]
VI. Fälschungen [6]
I. Beschreibstoffe
Heutzutage ist Papier der gebräuchlichste Beschreibstoff, doch auch elektronische Geräte werden immer öfter zum Schreiben verwendet. Wie war es früher?
Seit der Mensch zu schreiben begonnen hatte, nutzte er die verschiedensten Beschreibstoffe. Am Anfang waren es leicht zugängliche Stoffe, die nicht aufwendig hergestellt werden mussten, z. B. Stein oder Holz. Später wurden speziell zubereitete Beschreibstoffe wie Papyrus, Wachs (in Form von Wachstafeln), Pergament und schließlich Papier verwendet. Doch Papyrus und Wachs erwiesen sich als unbeständig; insbesondere bei ungünstigen Wetterbedingungen wurden sie allzu leicht zerstört. Im Mittelalter wurde daher hauptsächlich auf Pergament geschrieben, das später vom Papier verdrängt wurde.
Pergament
Bei Pergament handelt es sich um speziell zubereitete, dünne Tierhaut (meistens Kalbs-, Schafs- oder Ziegenhaut). Im Laufe des Herstellungsverfahrens wurde die Haut eingeweicht, gegerbt, gesäubert, getrocknet und geglättet, manchmal auch gebleicht. Das Ergebnis war ein robuster Beschreibstoff, der einen guten Schriftfluss ermöglichte und auf beiden Seiten beschrieben werden konnte. Seine Struktur ist an den Blatträndern und an Rissen sehr gut erkennbar:
In Europa wurden zwei Sorten Pergament hergestellt. Die erste kam aus Nordeuropa und wurde daher als das „nördliche“ oder „deutsche“ Pergament (charta theutonica) bezeichnet. Es wurde meistens aus Kalbshaut hergestellt und beidseitig gegerbt. Die zweite Sorte war typisch für Südeuropa und daher als das „südliche“ oder „italienische“ Pergament (charta italica) bekannt. Es war feiner als das „nördliche“ Pergament und nur auf einer Seite beschreibbar, daher lässt sich der Unterschied zwischen der Vorder- und der Rückseite sehr gut erkennen:
Obwohl das Pergament der am weitesten verbreitete Beschreibstoff im Mittelalter war, war es alles andere als günstig.
Daher wurde es sehr sparsam eingesetzt, einzelne Blätter wurden mehrmals beschriftet und beschädigte Stücke sorgfältig geflickt, damit auch sie wiederverwendet werden konnten.
Falls sich Risse auf der zu beschriftenden Fläche zeigten, schrieben die Schreiber einfach rund um die beschädigte Stelle herum.
Die Tatsache, dass die Texte trotz Schäden am Pergament vollständig sind, zeugt davon, dass diese Schäden bereits vor der Erstellung des Textes existierten:
Papier
Papier wurde in Europa bereits ab der Wende des 13. zum 14. Jahrhundert hergestellt. Die ersten Papiermühlen in Polen entstanden im 15. Jahrhundert. Doch das Papier konnte das Pergament nicht gleich ersetzen. Eine Zeitlang waren beide in Gebrauch, wobei das weniger beständige Papier für Schriften von geringerer Bedeutung verwendet wurde. Im Laufe der Zeit, mit der Entwicklung der Schreibschrift und der Verbreitung des Drucks, musste das Pergament schließlich weichen und wurde letztendlich von dem günstigeren Papier verdrängt.
Die Herstellungsmethode des sogenannten Büttenpapiers in den alten Papiermühlen unterschied sich von den heutigen Massenproduktionsverfahren. Für die Herstellung des Papierbreis wurden Textilgewebe eingeweicht, zerdrückt und zu einer Pulpe zerkocht. Die Pulpe wurde handgeschöpft – mit einem Drahtschöpfsieb, das aus einem Gitter von waage- und senkrechten Stäbchen (den sogenannten Rippen und Stegen) bestand – danach abgetropft, getrocknet, geklebt und geglättet. Durch Berührung mit dem Sieb entstanden an den Druckstellen dünnere und hellere Stellen im Papier. Auf diese Weise wurden die sogenannten Filigrane oder auch Wasserzeichen eingeprägt, die am besten sichtbar waren, wenn das Papier gegen das Licht gehalten wurde. Die Filigrane wurden mithilfe von speziell geformten, in das Sieb eingearbeiteten Drahtkonturen ins Papier geprägt. Dadurch entstand auf dem fertigen Papier ein sichtbares grafisches Zeichen.
Filigrane dienten zur Identifizierung der Papiermühle, in der das Papier hergestellt wurde. Sie ermöglichen die ungefähre Bestimmung des Alters und der Herkunft des Papiers. Das aus einem solchen Verfahren gewonnene Papier war dicker und robuster als das spätere Papier aus Zellulose und Holzschliff, das ab dem 19. Jahrhundert maschinell hergestellt wurde.
II. Schreibgeräte
Jeder Beschreibstoff erforderte die Nutzung unterschiedlicher Schreibgeräte. Auf Papyrus wurde mit einem Schreibrohr geschrieben, auf Wachstafeln – mit einem Stilus. Sowohl Pergament, als auch Papier erforderten den Gebrauch von Federkielen. Bis in das 19. Jahrhundert hinein wurden Vogelfedern zum Schreiben verwendet, hauptsächlich speziell zugeschnittene Gänsefedern. Im Gegensatz zu den heutigen Füllfederhaltern hatten sie keinen eingebauten Tintenspeicher, daher war ein Tintenfass zwingend erforderlich. Zudem musste der Schreiber stets ein Messer dabei haben, um die Feder zuzuschneiden, da diese schnell abstumpfte. Im Mittelalter wurde Tinte aus verschiedenen Zutaten hergestellt, u. a. aus Pflanzengallen, Vitriolen, Gummiwasser und Essig, und sie hatte eine dunkelbraune bis schwarze Farbe. Von den verwendeten Zutaten und deren Mengenverhältnissen hing ab, welchen Farbton die Tinte hatte und wie sehr sie im Laufe der Zeit verblassen würde.
Passiert es Ihnen manchmal, dass Sie ein Buch oder einen Notizblock über einem Kugelschreiber zuklappen? Auch die früheren Schreiber konnten dies nicht immer vermeiden. In unserem Archiv sind wir auf zwei Beweise solcher Zerstreutheit gestoßen. Der erste vergessliche Schreiber lebte im 16. Jahrhundert und ließ seine Feder zwischen den Blättern des Krakauer Stadtbuches aus dem Jahre 1592 liegen.
Der andere vergaß seine Feder in einem Buch, das er im 19. Jahrhundert niederschrieb.
So blieben dank der Zerstreutheit der Schreiber zwei Gänsefedern, zwischen den Buchblättern versteckt, bis heute erhalten.
III. Der Schreiber
Bereits in der Antike gab es den Beruf des Schreibers, der im Kopieren von Texten bestand. Im Mittelalter wurden Manuskripte bis ca. ins 12. Jahrhundert hinein in Klöstern angefertigt. In speziell zu diesem Zweck eingerichteten Räumen, den sogenannten Skriptorien, beschäftigten sich die vom Abt bestimmten Ordensbrüder mit der Erstellung von Kodizen. Sie spezialisierten sich je nach Fähigkeiten und Erfahrung auf verschiedene Arbeitsbereiche. Es gab also Kalligrafen, die erfahrensten und geschicktesten Schreiber, einfache Kopisten, die erst die Kunst des Schreibens erlernten, und Ordensbrüder, die für die Ausschmückung der Bücher zuständig waren – Miniaturisten, Illuminatoren und Rubrikatoren.
Der Miniaturist fertigte die wichtigsten Elemente des Buchschmucks an, hauptsächlich ausgedehnte, detailreiche Figurenbilder. Der Illuminator war für weniger anspruchsvolle Elemente wie Initialen und Ornamente an den Seitenrändern zuständig. Der Rubrikator schrieb ausgewählte Textabschnitte in einer anderen Farbe nieder, zumeist in Rot (lat. rubricare – rot anmalen). Auf diese Weise wurden bestimmte Stellen im Text hervorgehoben. Mehr Informationen zur Ausschmückung von Manuskripten finden Sie im Kapitel Buchschmuck [4].
Im Laufe der Zeit (in Polen war es Anfang des 15. Jahrhunderts) bildete sich eine Gruppe von Berufsschreibern heraus, die ihren Lebensunterhalt mit dem Kopieren von Texten verdienten, die jedoch aufgrund der zunehmenden Verbreitung der Drucktechnik keine wesentliche Bedeutung gewinnen konnten.
Schreiber gab es in Herrscherhäusern (in herzoglichen und königlichen Kanzleien), in Dom- und Stiftskirchen, im Umfeld der Reichen und Mächtigen. Anfangs waren die Schreiber ausschließlich Geistliche, später gesellten sich auch Laien dazu.
In der königlichen Kanzlei arbeiteten: der Kanzleileiter, der Unterkanzler, Sekretäre, Notare, Schreiber und Hilfspersonal, die sogenannten Kopisten.
Auch in Stadtkanzleien – Ämtern, die Aufzeichnungen über die Aktivitäten der städtischen Behörden führten – waren Schreiber tätig. Die Anzahl und der Bildungsstand des Kanzleipersonals hingen vom Vermögen und Bedarf der jeweiligen Stadt ab.
Einfache Kopisten unternahmen selten Versuche, ihr künstlerisches Können unter Beweis zu stellen – wahrscheinlich aus Zeitmangel, da es im Zusammenhang mit der Arbeit der städtischen Behörden immer sehr viel zu schreiben gab. Trotzdem passierte es manchmal, dass der Schreiber sich auch als Illustrator und nicht selten sogar als Miniaturist zu erkennen gab und das Stadtbuch mit eigenen Zeichnungen oder (häufiger) mit kunstvollen Initialen, Überschriften oder Schnörkeln ausschmückte.
Grundsätzlich verblieben die Schreiber anonym, manchmal hinterließen sie jedoch ihre „Unterschrift“ in Form einer Notiz am Ende des Manuskripts, des sogenannten Kolophons, das außer dem Fertigstellungsdatum auch den Namen und in Einzelfällen sogar die Funktion des Schreibers enthielt.
IV. Buchschmuck
Zierinitialen, üppige Ausschmückungen an den Seitenrändern, grafisch hervorgehobene Überschriften sowie andere Zierelemente und -kompositionen in den Manuskripten hatten mehrere grundlegende Funktionen.
Erstens dienten sie als Buchschmuck. Der Begriff Illumination (Ausschmückung der Initialen und Seitenränder) leitet sich von dem lateinischen Verb illuminare ab, das „erhellen, ausschmücken“ bedeutet. Doch die Schönheit an sich war nicht der Zweck des Schriftstücks. Die Ausschmückung sollte vor allem die Wichtigkeit des Manuskripts sowie das Prestige des Herausgebers (und zum Teil auch des Empfängers) betonen.
Daher wurde bei der Ausschmückung von Schriften häufig Gold verwendet, das in Form von dünnen Flocken auf Initialen, Überschriften und Miniaturen aufgetragen wurde und den Text aufhellte.
Die dekorativen Elemente hatten zudem eine Nutzfunktion inne, da sie die Orientierung im Text erleichterten. Dank den Zierbuchstaben und -überschriften oder sogar ganzen Seiten, die sich vom Rest des Textes unterschieden, konnte der Leser bestimmte Textabschnitte leichter finden (ein Beweis dafür sind manche Überschriften, die so großzügig ausgeschmückt wurden, dass sie kaum noch lesbar sind).
Die Verteilung der dekorativen Elemente im Manuskript wurde bereits am Anfang der „Buchplanung“ festgelegt.
Der Kopist, der den Inhalt der Urkunde oder des Buches niederschreiben sollte, ließ beim Schreiben Leerräume für später einzutragende Zierelemente stehen.
So war es auch in dem nebenstehenden Beispiel – es zeigt einen Leerraum für eine geplante Initiale, die aus unbekannten Gründen niemals eingetragen wurde. Doch gerade solche Fälle sind ein Beweis dafür, wie die Arbeit an der Komposition des Manuskripts verlief.
in einem Buch aus dem 15. Jahrhundert.
Beim Ausschmücken der Manuskripte spielten fachlich ausgebildete Illuminatoren (siehe Der Schreiber [3]) die Hauptrolle, doch auch die Arbeit des Kopisten war nicht ohne Bedeutung.
Der Schriftfluss des Schreibers, seine Sorgfalt und Kalligrafie verliehen dem gesamten Schriftstück Ordnung und Harmonie. Bei Amts- und Gerichtsbüchern, die aufgrund der intensiven Arbeit dieser Einrichtungen sozusagen „massenangefertigt“ wurden, übernahmen die Schreiber selbst die Rolle der Illuminatoren und schmückten die Bücher mithilfe ihrer Federkiele aus.
Die einfachste Form der Ausschmückung war das Hervorheben einzelner Buchstaben, Wörter oder Textabschnitte. Sie konnten z. B. in einer anderen Tintenfarbe niedergeschrieben werden als der Rest des Textes.
Üblicherweise wurde dazu rote Tinte benutzt, daher auch der Name „Rubrizierung“ (das lateinische Wort rubrica steht für rote Farbe). Auf diese Weise entstanden Rubriken – Textabschnitte, die in roter Tinte aufgeschrieben wurden.
Rubriken fungierten vor allem als Überschriften und halfen dank ihrer abweichenden Farbe, bestimmte Textabschnitte leichter zu finden.
Um die Orientierung im Text zu erleichtern, wurden dem Manuskript auch andere besondere Elemente zugefügt, deren Form oder Größe von dem Rest des Textes abwich.
Es handelte sich dabei um Initialen, Zierüberschriften, ausgeschmückte Seitenränder, Miniaturen.
Solche Elemente waren meistens deutlich größer als der Rest des Textes und hoben bestimmte Stellen im Manuskript hervor, um die Aufmerksamkeit des Lesers anzuziehen. Zugleich dienten sie als Buchschmuck und betonten, je nach Art und Pracht der Ornamente, die Wichtigkeit des Manuskripts.
Die Initiale, der Zierbuchstabe am Anfang eines Absatzes, wurde in ein dafür bestimmtes Feld eingetragen, dessen Form und Größe variieren konnte (es konnte z. B. oval oder quadratförmig sein). Meistens war die Initiale deutlich größer als der Rest des Textes, nicht selten nahm sie sogar den Großteil der Seite ein. Häufig hatte sie auch eine abweichende Farbe.
Die Initiale wurde mit verschiedenen Motiven gefüllt – Menschengestalten, Sittenbildern (bei sog. bewohnten Initialen) oder auch geometrischen Ornamenten, Pflanzen- und Tiermotiven (bei sog. Zierinitialen).
Doch nicht nur die Initialen allein, auch ganze Wörter, Überschriften oder sogar Absätze wurden manchmal in einer besonderen Zierschrift niedergeschrieben.
Sie waren zumeist größer als der Rest des Textes, häufig wurden sie auch in einer ganz anderen Schriftart verfasst.
Überschriften wurden oft mit Zusatzelementen ausgeschmückt, die je nach Talent und Phantasie des Künstlers von ganz einfachen Zeichnungen bis hin zu komplizierten, prachtvollen Ornamenten reichten.
Auch die Seitenränder wurden häufig ausgeschmückt, meistens mit dynamischen, farbenfrohen Kompositionen. Dabei wurden unterschiedliche Motive verwendet, doch hauptsächlich handelte es sich dabei um pflanzliche Ornamente, Geflechte und Girlanden aus Blumen, Blättern, Stielen und Früchten. Ein solcher Schmuck wird als Fleuronné bezeichnet (lat. flos – Blume). Auch Vogel- und Tiergestalten waren manchmal darin verflochten.
Eine insbesondere im Mittelalter beliebte Ergänzung des Fleuronnés stellten die sogenannten Drolerien dar (fr. drôlerie – lustige, scherzhafte Szene). Es handelte sich dabei um phantasievolle Motive mit (meistens imaginären) lustigen, surrealen oder grotesken Menschen- und Tiergestalten. Manchmal stellten diese komplette Märchenszenen oder sogar Bilder aus dem realen Leben nach.
In den erhaltenen Manuskripten kommen auch Bordüren vor. Sie sind eine Art Seitenrandschmuck, der sich bilderrahmenartig über sämtliche Ränder des Blattes erstreckt. Eine Bordüre kann wiederkehrende Figuren- oder auch andere Motive enthalten (die z. B. symmetrisch auf den gegenüberliegenden Seitenrändern auftreten).
Manchmal bildet der Buchschmuck eine Art grafischen Kommentar zum Inhalt des Manuskripts. Ein Beispiel dafür wären Motive aus der Heraldik, Zeichnungen von Waffen und Rüstung (sog. Panoplien) oder „Gelegenheitsmotive“.
auf der Lehnsakte für den Woiwoden von Smolensk, Grzegorz Kazimierz Podbereski.
Darin wird ihm Land zugesprochen, unter der Bedingung, dass der Begünstigte und seine männlichen Nachkommen Wehrdienst leisten
Federbild in der Überschrift über den Einträgen für das Jahr 1640.
Eine symbolische Darstellung des Abschieds vom alten Jahr und der Begrüßung des neuen Jahres?
Bei Büchern und Heften wurden auch die Titelblätter ausgeschmückt. Außer dem Titel, der meistens in Zierschrift aufgetragen wurde, waren auf den Titelblättern Pflanzen- und Tiermotive, Wappen und Symbole zu sehen. Auch Zeichnungen kamen vor, die entweder den Inhalt des Buches illustrierten oder aber auch gar nichts damit zu tun hatten. All dies hing von der Phantasie des Künstlers ab.
und Ausgaben (distributorum) der Stadt Krakau auf dem Titelblatt des Buches
der Einnahmen und Ausgaben der Stadt Krakau aus dem Jahre 1668.
Insbesondere in Nutzschriften (z. B. Stadtbüchern) fanden sich häufig Zeichnungen und andere Ausschmückungen, in denen der Sinn für Humor des Schreibers und seine Distanz gegenüber seiner Arbeit deutlich wurden.
aus der sog. Kopfsteuer aufgeführt sind. Diese Steuer wurde von jedem Stadtbewohner erhoben („pro Kopf“),
unabhängig von dessen Einnahmen oder Vermögen. Der Schreiber zeigte sein Mitgefühl
gegenüber den von der Steuerbehörde bedrängten Steuerzahlern, indem er einen weinenden Kopf
mit der Aufschrift „Kopfsteuer“ auf der Stirn zeichnete.
V. Einbände
Da die Stoffe, auf denen Informationen aufgeschrieben wurden, d. h. Pergament und Papier, unbeständig waren (zumindest im Vergleich zu dem früher verwendeten Stein oder Metall), war es äußerst wichtig, die fertigen Manuskripte zu schützen.
Sie wurden je nach Form in Tuben, Etuis oder Truhen aufbewahrt. Seitdem sich die Buchform verbreitet hatte, wurden auch Einbände als zusätzlicher Schutz verwendet.
Im frühmittelalterlichen Europa wurden besonders wertvolle Kodizes mit kostbaren Einbänden versehen. Diese bestanden aus Edelmetallplatten, Gold oder Silber, und wurden häufig mit edlen Elementen wie Elfenbeinplatten verziert. Nicht selten waren sie zudem inkrustiert, emailliert, mit Edel- und Schmucksteinen besetzt und bildeten somit wertvolle Schmuckstücke. Solche schweren, in Goldschmiedetechnik ausgeführten Einbände boten hervorragenden Schutz gegen eventuelle Missbildungen des Buchblocks.
Weniger wertvolle Manuskripte und Nutzschriften wurden in Ledereinbände gehüllt, die in Polen ab dem 15. Jahrhundert in Gebrauch waren. Mit der zunehmenden Verbreitung dieser Art von Einbänden verloren die Goldschmiede ihre Bedeutung für die Buchkunst. An ihre Stelle traten Buchbinder.
Die Buchbinder setzten einzelne Blätter zu Buchblöcken zusammen und fertigten in Zusammenarbeit mit Schmieden und Goldschmieden Einbände an. Bis ins 17. Jahrhundert hinein war Krakau das größte Buchbindezentrum Polens.
Die Blätter mussten zu Lagen und die Lagen zu Buchblöcken zusammengebunden werden. Hierbei waren Reklamanten und Kustoden von großer Bedeutung, die die richtige Lagenreihenfolge kennzeichneten.
Die Lagen wurden mithilfe von Fäden an mehreren Stellen zusammengenäht. Um die Nähte zu schützen und zu verhindern, dass die Fäden die Lagen durchreißen, wurden Lederriemen darunter gelegt, bzw. wurden beim Nähen die Fäden um die Riemen gewickelt. So entstanden Verdickungen, die sogenannten Bünde, die insbesondere für mittelalterliche Einbände typisch sind. Sie sind in Form von quer verlaufenden Streifen auf dem Buchrücken zu erkennen.
Um den Einband zu stärken, wurden auf die Innenseiten des Buchdeckels Pergament, Leder oder Stoff draufgeklebt.
Das Pergament für die Erstellung von Einbänden wurde nicht selten aus alten Büchern wiedergewonnen. Die Wiederverwendung von Blättern aus alten Manuskripten war eine weit verbreitete Praxis, da das Pergament sehr kostspielig war (manche Historiker von heute interessieren sich ausschließlich für solche Einbände).
Im Fall von größeren und somit auch schwereren Manuskripten wurden die Buchdeckel mit Holzplatten verstärkt und mit Leder oder Stoff (z. B. Samt oder Atlas), später auch mit Papier überzogen.
Das Leder (hauptsächlich Schweineleder), mit dem die Einbände überzogen wurden, war zumeist mit kunstvollen Prägungen geschmückt. Dazu verwendeten die Buchbinder einzelne, hölzerne oder metallene Stempel oder Platten, später auch Rollen (zylinderförmige Platten, mit denen das Muster schnell und gleichmäßig geprägt werden konnte, so dass z. B. dekorative Streifen entstanden). Eine große Platte beinhaltete eine ganze Komposition, die bei einem kleinen Einband als die gesamte Ausschmückung und bei einem großen Einband als ein Teil davon fungieren konnte.
Die Anordnung und Komposition der Prägungen hingen von der Phantasie des Buchbinders ab.
Von Bordüren und anderen detailreichen Motiven über Heiligenbilder, mythische und allegorische Gestalten bis hin zu Bildnissen von Herrschern und Philosophen konnte alles dabei sein. Solche Einbände sind häufig Kunstwerke an sich und begeistern mit ihren üppigen und stilvollen Ornamenten. Die Buchbinder, von deren Hand diese Schönheit stammt, verdienen es eher als Künstler, denn als Handwerker begriffen zu werden.
Zudem wurden die Einbände häufig vergoldet, was dem Buchschmuck noch mehr Wert verlieh.
Um der Abnutzung der Ornamente vorzubeugen und das Buch selbst vor Schäden zu schützen, wurden dem Einband Metallelemente zugefügt (daher arbeiteten Buchbinder eng mit Schmieden zusammen) – Buchecken, Buckel, Bleche und andere kunstvolle Beschläge.
Damit sich die Blätter nicht verformten, wurden die Einbände zusätzlich mit Metallschließen, manchmal auch mit Lederriemen versehen.
Solche Elemente erleichterten das Verschließen des Buches und die Erhaltung seiner ursprünglichen Form.
All diese Metallelemente waren meistens sehr aufwendig graviert und originell geformt. Sie erfüllten also nicht nur eine Nutzfunktion, sondern bildeten auch eine besondere Art Buchschmuck.
Später verbreitete sich der sogenannte Halbledereinband, bei dem der Buchrücken und die Buchecken aus Leder waren, die Buchdeckel und der Einband jedoch aus Papier oder Textilgewebe bestanden. Die Metallschließen wurden in diesem Fall durch Schnüre ersetzt.
Nur in Ausnahmefällen wurden Bücher noch an Goldschmiede oder Emailleure überreicht, die den Einband mit weiteren Zierelementen ausschmückten.
Der Brauch, wichtige Bücher und Urkunden mit üppig verzierten Einbänden und Buchdeckeln zu versehen, blieb auch in den folgenden Jahrhunderten (19.-20. Jh.) erhalten.
VI. Fälschungen
Urkunden hatten eine enorme Bedeutung im öffentlichen Leben, sie dienten als Beweise in Gerichtsverfahren, als Bescheinigungen bestimmter Rechte oder Tatsachen.
Von größter Bedeutung waren zwar königliche, staatliche und kirchliche Urkunden, doch auch Privaturkunden konnten wichtige Angelegenheiten betreffen (z. B. finanzielle Verpflichtungen).
Die hohe Stellung der Urkunden und das feste Vertrauen in ihre Wirksamkeit führten zur Entstehung von Fälschungen (in Polen ab dem 13. Jahrhundert).
Eine Urkunde konnte auf mehrere Weisen gefälscht werden.
Zum einen konnte der Fälscher eine gefälschte Urkunde von Grund auf neu erstellen, mit einem Inhalt, der nicht der Wahrheit oder der wirklichen Absicht des angeblichen Ausstellenden entsprach. Eine solche Urkunde wurde mit einem ebenso gefälschten Siegel oder, um glaubwürdiger zu wirken, mit einem echten Siegel von einer anderen Urkunde versehen.
Eine andere Variante war die „Verfälschung“ einer bereits existierenden Urkunde durch die Einführung von unautorisierten Änderungen, z. B das Hinzufügen von Zeichen oder Wörtern, das Ersetzen von ausgewählten Wörtern oder sogar ganzen Textabschnitten durch einen anderen Inhalt. Damit das möglich war, musste die Stelle, an der der Text verändert werden sollte, zuerst ausradiert werden. Der Originaltext wurde mithilfe eines scharfen Gegenstandes (meistens eines speziellen Schreibermessers) weggeschabt. Die veränderte Stelle, die sogenannte Rasur, wurde danach mit Kreide oder Bimsstein verrieben und geglättet. In das so vorbereitete, „leere“ Feld wurde dann der gefälschte Text eingetragen.
Mit der Echtheitsüberprüfung der Urkunden, die dem Gericht vorgelegt wurden, befasste sich das Personal der Gerichtskanzlei. Es gab sogar spezielle Leitlinien zur Identifizierung von Fälschungen. Vor allem wurde überprüft, ob die Urkunde besiegelt und das Siegel unbeschädigt war. Wurde eine Urkunde als unglaubwürdig eingestuft, wurde das Pergament durchgeschnitten und das Siegel gebrochen, damit es nicht wiederverwendet werden konnte.
Fälscher wurden streng bestraft. Im Jahre 1400 wurde ein Krakauer Bürger für die Fälschung einer Urkunde zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt.
Im Laufe der Zeit, mit der Entwicklung des Staatswesens und der vermehrten Ausstellung von Urkunden verbreitete sich auch eine Urkundenform, die gewissermaßen den Kampf gegen Fälscher unterstützte. Es entstanden nämlich Amts- und Gerichtsbücher, in denen Aufzeichnungen über die aktuellen Angelegenheiten und Verfahren geführt wurden. Am Anfang waren es nur knappe amtliche Notizen, doch sie entwickelten sich zu vollständigen Einträgen, die den gesamten Wortlaut der Urkunden wiedergaben. So erlangten diese Bücher die Kraft des öffentlichen Glaubens. Anhand der Einträge wurden Abschriften, sogenannte Extrakten, angefertigt, die viel schneller und günstiger zu bekommen waren als eine Urkunde in der traditionellen Form. Natürlich gab es davon auch Fälschungen, doch diese konnten viel leichter nachgewiesen werden, da es im Zweifelsfall ausreichte, den Extrakt mit dem im Buch eingetragenen Original zu vergleichen.
Die heutigen Methoden zur Echtheitsüberprüfung von historischen Urkunden ähneln gewissermaßen einem Actionfilm, in dem die „Ermittlung“ in einer umfangreichen Analyse aller dazugehörigen Elemente besteht: des Pergaments oder Papiers, der Tinte, des Siegelwachses oder Siegellacks und vor allem des Aufbaus, der Sprache und Schriftart der Urkunde. Paläographisches Wissen ist also auch nützlich, um einem mittelalterlichen oder neuzeitlichen Fälscher auf die Schliche zu kommen. Eine solche Forschung sollte jedoch in einem breiteren Kontext betrieben werden, der auch die Entstehungsgeschichte der jeweiligen Urkunde und die Spezifik der Epoche umfasst.